Die Transzendenz von Pi

Screenshot Youtube-Video: Nadine Emmerich

Mathematische Formeln und Konzepte kurz und knackig in einen Song zu packen, ist eine Kunst. Johann Beurich beherrscht sie – und gibt auf YouTube Mathenachhilfe für 3,7 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer.

Um die Partialbruchzerlegung zu vertonen, hat Johann Beurich einige Jahre gebraucht. Der heute 27-Jährige musste diese Umformung rationaler Funktionen in der Mathematik zunächst selbst so tief verinnerlichen, dass er sie sowohl vollständig als auch verständlich in einen Song packen konnte. Schon seit 2011, damals war er noch Schüler, erklärt der Dresdner mathematische Themen, indem er sie rappt. In seiner YouTube-Playlist Mathe-Songs sind 35 solcher Videos zu finden.

Bis zu 100 Stunden Arbeit für einen Mathe-Song

„DorFuchs“ nennt sich Beurich auf der Videoplattform und in sozialen Netzwerken, das ist die sächsische Aussprache von „der Fuchs“. Bei YouTube hat er 223.000 Abonnentinnen und Abonnenten, weitere Tausende folgen ihm bei Twitter, Instagram und Facebook. Sein erster Song über die p-q-Formel wurde mehr als 2,5 Millionen Mal aufgerufen, das Video über die binomischen Formeln rund 3,7 Millionen Mal. Auch „Pi ist irrational“, sein bisher anspruchsvollster Song, wurde mehr als 450.000 Mal geklickt. Grundsätzlich gilt bei ihm aber: „Alles, was ich mache, ist mit Abiturwissen verständlich.“ Und mathematisch korrekt.

„Die Community wünscht sich ja ständig Neues.“

Derzeit hat Beurich etwas weniger Zeit für die Produktion neuer Videos – bis zu 100 Stunden Arbeit stecken in einem Mathe-Song –, da er inzwischen an der Technischen Universität Dresden promoviert. Noch im Anfangsstadium ist daher die Idee für einen Song, in dem er den Satz von Euklid, dass es unendlich viele Primzahlen gebe, zu beweisen versucht. „Die Community wünscht sich ja ständig Neues.“

Mathematik ausformulieren

Die Community, das sind Schülerinnen und Schüler, die mit seinen Liedern lernen, aber auch viele Lehrkräfte, welche die Videos im Unterricht nutzen. Von vielen bekommt er regelmäßig begeistertes Feedback. In den Kommentaren unter „Die Wurzel aus 2 ist irrational“ etwa heißt es: „Danke DorFuchs! Du hast mir und meinem Kumpel den Hintern gerettet, wir mussten nämlich ein Referat über dieses Thema halten und hatten kein Plan.“ Unter „Die Eulersche Zahl ist irrational“ ist zu lesen: „Wow, ich kann den Song auswendig, hab danach ne 2- geschrieben.“

„Ich kann Schülern helfen“

Das spornt Beurich an: Er überlegt, sich nach der Promotion als Bildungs-Youtuber weiter zu professionalisieren. Als Mathematiker mit Doktortitel könne er zwar mehr verdienen, aber: „Hier sehe ich einen direkten Einfluss von dem, was ich mache: Ich kann Schülern helfen.“ In der Mediothek im Thüringer Schulportal werden seine Videos bereits als Lernmaterial angeboten, auch für die Lernplattform „Learnattack“ vom Dudenverlag war er schon tätig.

Auch wenn seine Songs sehr eingängig sind, glaubt Beurich, dass seine Erklärungen und Visualisierungen entscheidend für das Einprägen der Inhalte seien. Beim Songschreiben durchlaufe er selbst nochmal mehrere Stufen eines tieferen Verständnisses, sagt er. „Mathematik muss auch mal ausformuliert werden.“ Schülerinnen und Schülern empfiehlt er, hinter eine Aufgabe nicht nur ein Ergebnis zu schreiben, sondern auch in einem Text zu erklären, wie sie dahin gekommen seien.

Mathe-Leidenschaft schon im Kindergarten

Diese Leidenschaft für Mathematik habe er schon immer gehabt, erinnert sich der Doktorand. Bereits im Kindergarten rechnete er mit, wenn seine ältere Schwester Hausaufgaben machte. In der Schule „war die Eins auf dem Zeugnis immer gesetzt“. Sich nur im Unterricht mit Mathe zu befassen, war ihm indes zu wenig. Da er auch Klavier, Gitarre, Schlagzeug und Akkordeon spielt und immer mal Lieder schreiben wollte, ihm aber die Texte dazu fehlten, vertonte er die p-q-Formel. Weil deren Herleitung zu viel Text zum Singen hatte, kam er zum Rap.

Irgendwann will sich Beurich auch an die Riemannsche Vermutung wagen: Seit dem 19. Jahrhundert rätseln Experten über die Nullstellen der Zeta-Funktion, woraus sich Kenntnisse über die Verteilung der Primzahlen schlussfolgern lassen. Dem 27-Jährigen schwebt vor, das konkrete Problem dabei zu erläutern. Und er würde gern rappend die Transzendenz von Pi beweisen: „Dazu braucht man aber ein ganzes Album.“

Veröffentlicht auf GEW.de am 25. Januar 2021