Roboter studieren

Quelle: Beuth Hochschule für Technik Berlin/Ernst Fesseler

Schon bald könnten an Rezeptionen oder Kassen humanoide Roboter sitzen. Warum man nun studieren kann, wie man sie baut, und was auf uns zukommt, erklärt Studiengangsleiter Manfred Hild.

heute.de: Warum hat die Humanoide Robotik einen eigenen Studiengang bekommen?

Manfred Hild: Humanoide Robotik ist stark interdisziplinär. Man muss Mechanik, Physik, Elektrotechnik und Programmierung, aber auch Psychologie und das Verhalten Mensch-Maschine verstehen. Entweder könnte man viele Fächer studieren und sich erst spät der Humanoiden Robotik zuwenden oder man schult dieses übergreifende Denken ab dem ersten Semester  – wie wir es jetzt tun.

heute.de: Was steht auf dem Lehrplan?

Hild: In den ersten beiden Semestern werden bereits einfachste kleine Roboter gebaut, um zu verstehen, was in der Elektronik und der Mechanik passiert, welchen Einfluss Körper und Bauweise auf das mögliche Verhalten des Roboters haben. Im zweiten Jahr geht es stark um Details, da werden Teilsysteme wie Arm, Bein oder Kopf eines Roboters betrachtet. Im fünften und sechsten Semester widmen wir uns dann dem Komplettsystem mit etwa 50 Motoren und 200 Sensorwerten.

heute.de: Was ist das Komplizierteste beim Bau eines humanoiden Roboters?

Hild: Robustheit. Nur die Wenigsten beherrschen die hohe Kunst, ein System zu bauen, das auf lange Zeit funktioniert. Elemente wie Motoren, Kabel, Elektronik und Batterien unterliegen einem starken Verschleiß. Daher befassen wir uns schon im zweiten Semester auch mit Instandsetzung und Wartung.

heute.de: Wie werden humanoide Roboter unsere Gesellschaft verändern?

Hild: Wir werden sie in Deutschland in den nächsten Jahren überhaupt erst mal sehen. Ich weiß von Plänen, Roboter als Servicekräfte in Restaurants und an der Rezeption von Kliniken oder Hotels einzusetzen. Es wird eine Diskussion in Gang kommen, was Vor- und Nachteile dieser Entwicklung sind, und wo die Reise hingeht. Was bedeutet es, wenn Roboter immer intelligenter werden und einen eigenen Willen bekommen? Es wird Bewegungen geben, die dagegen sind, dass technische Systeme eine Entscheidungsgewalt haben dürfen. Innerhalb der Europäischen Union wird aber auch schon beraten, ob ein intelligenter humanoider Roboter juristisch als Individuum gesehen und für sein Handeln haftbar gemacht werden kann.

heute.de: Mit Visionen vom Eigenleben von Robotern werden auch Ängste geschürt.

Hild: Letztendlich ist es sehr unwahrscheinlich, dass man zum Beispiel Kampfmaschinen bauen könnte, die sofort ein hohes Maß an Intelligenz besäßen. Intelligenz ist mit körperlicher Erfahrung verbunden, die muss gelernt werden, und Lernen braucht Zeit. Ich würde auch stark anzweifeln, dass sich Gelerntes über eine Speicherkarte auf ein System mit einem anderen Körper übertragen lässt. Selbst wenn man 100 Roboter exakt gleich nachbaut, müssten diese erst lernen, ihre Körper zu beherrschen. Umgekehrt könnte es auch so sein: Ein humanoider Roboter mit einer Art Ich-Identität, der sein Handeln reflektiert, wäre schwer zu missbrauchen, weil er das selbst in Frage stellen würde.

heute.de: Aktueller ist die Sorge über den Wegfall von Arbeitsplätzen.

Hild: Wenn wir humanoide Roboter langfristig akzeptieren, muss die Frage, welche Arbeit von Menschen, und welche von Robotern getan wird, neu gestellt werden. Muss man überhaupt arbeiten, um Geld zu bekommen und sich etwas kaufen zu können? Oder gibt es auch andere mögliche gesellschaftliche Formen?

heute.de: Werden solche Fragen auch im Studium thematisiert?

Hild: Auf jeden Fall. Wir haben verschiedene Module, in denen ethische, juristische und soziale Aspekte diskutiert werden. Es gibt auch Kooperationen mit anderen Hochschulen, Künstlern, Senioren und Kindern, um sich auf nicht-technologische Weise mit dem Thema auseinanderzusetzen.

heute.de: Wie sind die Berufsaussichten der Absolventen?

Hild: Wir haben Stellenanzeigen gegoogelt, die Nachfrage ist jetzt schon da  – und wird stark steigen. Firmen, die Anwendungen vorbereiten, stehen bereits mit uns in Kontakt. Abgesehen davon können unsere Absolventen auch als Elektrotechniker, Mechatroniker oder Programmierer arbeiten. Experten der humanoiden Robotik sind Generalisten. Aus Vorgesprächen weiß ich, dass sich auch viele dafür interessieren, später in die USA oder nach Asien zu gehen. Da gibt es noch viel mehr Jobs.

Faktenbox:

Gibt es schon Humanoide in Deutschland?

Hierzulande sind humanoide Roboter noch nicht verbreitet. „Manche Baumärkte haben einen, aber das ist eher eine fahrende Säule, die zum Beispiel den Gang mit den Schrauben zeigen kann“, sagt der Experte für Digitale Systeme, Manfred Hild. Alles andere sind Feldexperimente von Unternehmen und Forschungsinstituten.

Welche Länder gelten als Vorreiter?

Asiatische Staaten wie Japan und Korea sowie die USA. In Japan wurde etwa das weltweit erste Hotel eröffnet, in dem keine Menschen mehr arbeiten. Die USA sind im militärischen Bereich sehr engagiert, wollen aber schon 2018 oder 2019 humanoide Roboter auch für den Privatgebrauch anbieten. In Deutschland wird so etwas nach Einschätzung von Experten erst in zwei oder drei Jahren kommen. Dann wird die Verbreitung voraussichtlich jedoch relativ rasch gehen. Die Preise werden anfangs voraussichtlich zwischen 1.000 und 10.000 Euro liegen, dann aber stark fallen.

Welche Einsatzgebiete gibt es? 

Die Möglichkeiten reichen von der reinen Unterhaltung über Gastronomie und Haushaltshilfen bis zu Pflege und Betreuung. Auch in Katastrophenfällen und für Menschen zu gefährlichen Gebieten könnten humanoide Roboter einspringen. In Deutschland gibt es aktuell im Einzelhandel Pläne, an der Kasse den Torso plus Kopf und Arme eines humanoiden Roboters einzusetzen. Am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz erforscht das Projekt Hybr-iT hybride Teams aus Menschen, Robotern, softwarebasierten Assistenzsystemen sowie virtuellen Umgebungen.

Studiengang Humanoide Robotik

Der bundesweit einmalige, sechs Semester dauernde Bachelor-Studiengang Humanoide Robotik ist am 1. Oktober 2018 an der Beuth Hochschule für Technik Berlin gestartet. Für Lehre und Forschung stehen Plattformen wie der humanoide Roboter Myon oder der Muskelroboter ZAR5 zur Verfügung. In Firmen und Forschungslaboren knüpfen die Studierenden Kontakte für einen Auslandsaufenthalt, einen zukünftigen Arbeitsplatz oder ein weiterführendes Studium. Der Studiengang mit 44 Plätzen ist zulassungsbeschränkt (NC). Vorkenntnisse im Bereich Elektronik oder Programmierung sind nicht nötig. Etwa ein Drittel der Studierenden sind Frauen. Studienstart ist immer zum Wintersemester.

https://www.youtube.com/watch?v=NOQUxVylzqo

Manfred Hild 

…ist Professor für Digitale Systeme im Fachbereich Elektrotechnik – Mechatronik – Optometrie sowie Studienfachberater für Humanoide Robotik an der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Im Forschungslabor Neurorobotik konzipierte er mit seinem Team bereits eine Reihe von autonomen Robotern mit dem Fokus auf adaptiven und robusten Verhaltensweisen. Vor seiner Professur in Berlin war er unter anderem als Gastforscher im Sony Computer Science Laboratory in Paris tätig. Er studierte Mathematik und Psychologie an der Universität Konstanz (Diplom) und wechselte dann zur Informatik an die Humboldt-Universität zu Berlin, wo er promovierte.

Das Interview führte Nadine Emmerich. Veröffentlicht am 18. August 2018 auf heute.de.