Urban Jungle – heile Welt in Tiefgrün

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Zimmerpflanzen sind zum Lifestyleprodukt geworden. Instagram-Feeds sind voll von String of Hearts, Pilea, Calathea und Begonia Maculata. Der Urban Jungle in den eigenen vier Wänden gilt als gut für die Seele – gerade in Corona-Zeiten.

Der Montag ist ein fester Termin im Kalender vieler Pflanzenfans: Unter dem Hashtag #monsteramonday starten sie die Woche auf Instagram damit, zu zeigen, wie es bei ihnen zu Hause grünt und blüht. Rund 367.600 #monsteramonday-Beiträge gibt es in dem Netzwerk aktuell. Das Motiv, die Monstera Deliciosa, hat tiefgrüne und exotisch geformte Blätter, kann bis zu drei Meter hoch werden und ist längst eine Kultpflanze, die vom T-Shirt bis zur Tapete auf alles gedruckt wird. Bei Instagram sieht man sie in Wohnungen in Melbourne, Monterrey, New York, Rio de Janeiro, Aalborg, London und zig weiteren Städten. Kunstvoll in Szene gesetzt von Plantfluencern – Influencern, die sich dem Urban-Jungle-Trend widmen, ihr Heim mit viel Grün dekorieren, Pflegetipps geben oder für Übertöpfe werben.

Zur Community gehört auch die in Potsdam lebende Interior-Expertin Chris Walz, die unter Stylepeacock.com bloggt und bei Instagram regelmäßig Fotos der knapp 50 Pflanzen teilt, die ihr Zuhause zieren: Monstera, Bogenhanf, Farne, Geigenfeige, Gummibaum, Yucca-Palmen, Kakteen und Hängepflanzen. „Meine Diva ist die Forellenbegonie, die wunderschön und üppig ist, es aber nicht mag, wenn man sie übergießt oder zu dunkel stellt“, sagt Chris Walz. Jüngster Neuzugang ist ein großer Papyrus „vom Flohmarkt für wenige Euro“.

Pflanzen als Haustierersatz

In der Szene begehrt ist alles, was ungewöhnlich ist und zum wilden Dschungellook beiträgt: Blätter mit Punkten, tellerförmig, melonenartig oder mit viel Pink zum Beispiel. Hinter Hashtags wie #plantlove, #plantsarefriends, #plantsofinstagram, #crazyplantpeople oder #plantparenthood verbergen sich auf Instagram bis zu Millionen Beiträge. Außerdem gibt es Sparteninteressen: Unter #boyswithplants etwa zeigen gut gebaute und knapp bekleidete Männer ihr grünes Heim. Populäre Plantfluencer haben teils Zehntausende Follower.

Chris Walz folgt vornehmlich Communities wie @houseplantclub oder @house_plant_community sowie Hashtags wie #junglevibes oder #crazyplantlady, um immer wieder neue Profile und Plantfluencer kennenzulernen. „Die Plantfluencer-Community ist ein wunderbares Völkchen über alle Kontinente hinweg“, beschreibt sie. „Plantfluencer leben bunt und kreativ und haben von allem immer eher etwas zu viel als zu wenig in der Wohnung. Und ein großer Teil besitzt Katzen.“ Auch für sie bringen Pflanzen eine lebendige Atmosphäre ins Haus und sind „ein wenig ein Haustierersatz“.

Stressabbau im Grünen

Der Urban-Jungle-Trend ist wie für Großstädter gemacht, die kein Haus mit Garten besitzen, sich aber nach einem grünen Ruhepol im Alltagstrubel oder gar ein bisschen Urlaubsstimmung sehnen. Pflanzen säubern nicht nur die Luft, der Blick aufs Grüne soll auch dabei helfen, Stress abzubauen. „Natürlich sehnen wir uns alle nach ein bisschen mehr Natur und heiler Welt. Von Pflanzen umgeben zu sein, macht mich glücklich“, sagt Chris Walz.

Die Bloggerin hatte schon als Teenager ein Faible für Grünes. Ihre ersten Pflanzen waren Weihnachtskakteen, die ihre Mutter wegwerfen wollte, weil sie nie blühten. In ihrem Kellerzimmer entwickelten sie sich dann prächtig. „Später kamen dann Grünlilien und Papyrus dazu, die zu meiner Schulzeit total im Trend waren und von denen Ableger die Runde machten.“

Internationale Gurus und Vorreiter des grünen Lifestyles sind derweil Igor Josifovic vom „Happy Interior Blog“ und Judith de Graaff vom „Blog Joelix“. Ihr gemeinsamer Insta-Account Urbanjungleblog zählt mehr als eine Million Fans und gilt als wohl größte Pflanzenplattform weltweit, einzelne Posts haben mehr als 10.000 Likes. Zusammen veröffentlichten die beiden Blogger auch das Buch „Urban Jungle – Wohnen in Grün“.

„Nicht zu viel gießen!“

Durch Plantfluencer bekommt auch der Handel neue Zielgruppen, und die Nachfrage steigt. „Pflanzen sind gerade bei Jüngeren ein zunehmendes Must-have“, sagt die Sprecherin des Fachverbandes deutscher Floristen, Nicola Fink. Sortimentsschwerpunkte im Fachhandel seien zwar weiter Schnittblumen und Florales. „Aber zunehmend folgen die Kollegen diesen neuen Entwicklungen und bieten coole Grünpflanzen in trendigen Inszenierungen und ausgefallenen Übertöpfen an.“ Das Thema Urban Jungle spiele derzeit auch eine große Rolle, da viele Menschen wegen der Corona-Pandemie auf Urlaub und Reisen verzichteten. „Alternativ dazu möchten sie ihre eigenen vier Wänden so individuell, zeitgeistig, exotisch und trendy wie möglich einrichten oder ihren Garten zu einer Sommeroase umgestalten.“

Für einen Urban Jungle muss man nach Angaben von Chris Walz übrigens kein Vermögen ausgeben. Ihr Tipp: „Bei Börsen wie Ebay Kleinanzeigen oder in Facebook-Gruppen erhält man Pflanzen und Ableger oftmals sehr günstig oder sogar zum Nulltarif. Auch Flohmärkte und Discounter sind eine gute Quelle für preiswerte Pflanzen.“ Mit Blick auf die Pflege sei vor allem eins wichtig: „Nicht zu viel gießen! Die meisten ersäufen ihre Pflanzen viel eher, als dass diese durch eine Woche Abwesenheit des Besitzers sterben.“

Um die passende Pflanze für sich selbst zu finden, rät die Expertin: „Einfach zulegen, was gefällt. Mit der Zeit findet man heraus, was in der eigenen Wohnung besonders gut gedeiht oder womit man bestens zurechtkommt. Bei Onlineshops findet man in der Kategorie Büropflanzen Sorten, die wenig Ansprüche haben.“

Veröffentlicht auf n-tv.de am 11. August 2020