Die richtige Musik für den richtigen Moment

Foto: Pixabay / CC0

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Für Kimya Dawson und Alex Clare ist Synch ein Segen gewesen. Ein paar Leute kannten die US-Sängerin Dawson als Teil der Moldy Peaches mit Adam Green. Nach dem Oscar-prämierten Film «Juno», in dem Songs der Band gespielt wurden, kannte sie jeder. «Too Close» des Briten Clare war erst Werbespotsong für den Windows Internet Explorer 9 – und dann auf Platz eins der Charts. Synch, wie sich die Platzierung von Musik in Film, TV und Werbung nennt, ist ein Thema, das in der Branche immer wichtiger wird.

«Gerade für junge Bands ist es ein interessantes Feld, um bekannt zu werden. Man muss heute jeden Kanal nutzen», sagt Sascha Peters von EMI Music Publishing Germany. «Es ist ein wesentlicher Baustein für den Verdienst von Bands», sagt Christian Mix-Linzer von der Plattform Tracks & Fields, die Musik für Film und Werbung vermittelt. Der künstlerische Direktor der Popakademie Baden-Württemberg, Udo Dahmen, sagt: «Das Thema ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden.»

Die Liste mit Musikern, deren Lieder Filme schmückten, ist lang: Schon 1989 sangen die Ramones für «Friedhof der Kuscheltiere», aktueller lieferten Take That den Titelsong für «Die drei Musketiere», Chris Cornell für «Casino Royale» und Linkin Park für «Transformers: Dark Of The Moon». Auch weniger prominente Namen gehören dazu: die US-Band Paramore für «Twilight», die schwedische Band The Sounds für «Scream 4» oder der Münchner Enik für «Wir wollten aufs Meer». Viele Beispiele gibt es auch in der Werbung, von Empire of the Sun für Vodafone bis zu Oceana für Nivea. 2raumwohnung entstanden gar erst, als Cabinet Musik für einen Spot benötigte.

Experten sehen «Nachholbedarf» in Deutschland

Doch auch wenn Synch nicht ganz neu ist, der Output der Medien weiter zunimmt, immer neue Plattformen im Netz entstehen – hierzulande steckt das Geschäft damit «noch in den Kinderschuhen», wie Mix-Linzer sagt. Auch Dahmen sieht «noch grossen Nachholbedarf». Ein Grund sei, dass viele Bands nicht wüssten, an wen sie sich bei dem Thema wenden könnten. Darum rät Dahmen zum Beispiel, so früh wie möglich Netzwerke etwa zu Filmhochschulen zu knüpfen.

Mix-Linzer beobachtet: «Vor etwa zehn Jahren war es noch undenkbar, dass Künstler ihre Musik für Werbung hergaben. Da warfen Fans der Band dann ‹Ausverkauf› vor.» Diese Wahrnehmung habe sich geändert. Bei der Platzierung von Songs im Fernsehen habe dies damit zu tun, dass viele Serien «unheimlich gut geworden sind». In den USA, wo Musikberater hohes Ansehen geniessen, gelte schon länger: «Wer wichtig ist, dessen Musik ist auch in einer Serie.» Viele lernten neue Musik dort zum Beispiel durch «Grey’s Anatomy» kennen. Ingrid Michaelson, deren Songs für die Krankenhausserie genutzt wurden, sagt: «Das war das Beste, was mir passieren konnte.» Sie stieg in die Charts ein, trat in Jay Lenos Late-Night-Show auf, zierte das Cover des «Billboard»-Magazins und Universal Music nahm sie unter Vertrag.

Der Drummer der US-Bands CIV und Rival Schools, Sam Siegler, hätte ohne Synch keine Eigentumswohnung. Der CIV-Song «Can’t Wait One Minute More» wurde 2005 in einem Spot für Nissan verwendet. Das habe ihn zwar nicht reich gemacht, sagt Siegler, aber «geholfen, das Apartment zu kaufen, in dem ich lebe». Ausgesorgt haben wohl Snap!: «The Power» taucht jedes Jahr weltweit in zig Spots auf – «bis zur Tankstellenkette in Vietnam», sagt Konrad von Löhneysen, Chef des Labels Embassy of Music, das 2011 zur Frauenfussball-WM den Titel «Gold» von Klee in einem Spot für die Deutsche Bahn unterbrachte.

«Man muss im richtigen Moment die richtige Musik machen.»

Inwiefern Synch sich ausser in Einzelfällen finanziell lohnt, da sind sich die Experten uneins. Mix-Linzer sagt, beim Film gehe es im «niedrigen drei-, vier- oder fünfstelligen Bereich» los, nach oben gebe es «keine Grenzen». Selbst wenn bei einem Projekt nur 500 bis 1.000 Euro gezahlt würden: «Das hat mancher Musiker nicht nach sechs Wochen Tour verdient.» In der Werbung verdient der Künstler laut von Löhneysen in der Regel 5 Prozent des Werbevolumens – bei einer Kampagne mit einem Budget von einer Million also 50’000 Euro. Dennoch mahnt er: «Die Rettung für den Markt liegt nicht in Synch.»

Vorsichtig ist auch Milena Fessmann von der Agentur Cinesongs, die jüngst die Kilians und die Donots in dem Kinofilm «Abseitsfalle» platzierte: «Es bringt einem etwas, in ‹Spider-Man› zu sein, aber nicht in einem deutschen Arthousefilm.» Der Bereich sei eine «schöne Plattform zur Zweitverwertung», aber «man wird nicht reich davon». Konkret beziffern lässt sich der mögliche Verdienst im Filmbereich kaum, je nachdem, ob es um Musik für ein Debüt oder einen Blockbuster geht, ob nur ein Song genutzt wird oder eine Band den ganzen Score macht – wie Selig 1997 für «Knockin‘ on Heaven’s Door» oder der irische Sänger und Schauspieler Glen Hansard für «Once», dessen Song «Falling Slowly» 2008 auch einen Oscar bekam.

Zudem muss eine Band überhaupt erstmal in einem Film oder Spot landen: In Deutschland würden wenig Filme gedreht, die Musik benötigen, sagt Löhneysen. In der Werbung gebe es mehr Nutzungsflächen, einfach sei es aber auch da nicht: «Die Auswahl an Musik ist für den Kunden gigantisch.» Fessmann sagt: «Man muss im richtigen Moment die richtige Musik machen.» Letztlich kann der Zuschlag immer an die Band gehen, von welcher der Regisseur Fan ist. Daher empfehlen alle Experten: Ab ins Kino, hin zu Filmfestivals, Kontakte knüpfen. Wichtig ist auch: «Nichts umsonst zur Verfügung stellen», weil durch den Film ein Bekanntheitsschub lockt, sagt Peters. «Derjenige, der den Film produziert und veröffentlicht, hat auch die Absicht, damit Geld zu verdienen.»

Veröffentlicht im „Tages-Anzeiger“ am 15. September 2012.