3D-Back-up für Kulturdenkmäler

Foto: CyArk

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Viele Weltkulturerbestätten sind in Gefahr: Der Islamische Staat sprengt antike Stätten von Palmyra, ein Erdbeben zerstört nepalesische Tempel, die Chinesische Mauer ist ein Dauerpflegefall. Eine neue digitale 3D-Technik soll das historische Erbe retten. Jüngstes Projekt: der Kölner Dom.

von Nadine Emmerich

Der schiefe Turm von Pisa, die mexikanische Ruinenstätte Chichen Itza und die in den Mount Rushmore gehauenen US-Präsidentenköpfe könnten via 3D-Druck dupliziert werden. Die gemeinnützige US-Organisation CyArk hat sie gescannt und digitalisiert, für eine Rekonstruktion stünden alle Daten zur Verfügung. Damit gefährdete Kulturdenkmäler nicht irgendwann aus dem Gedächtnis der Welt verschwinden, wird weltweit an digitalen Kopien gearbeitet. Aktuelles Projekt der Hochschule Fresenius ist das Scannen des Kölner Doms, seit 1996 UNESCO-Weltkulturerbe.

Studenten scannen den Kölner Dom mit Lasern

Umwelteinflüsse sowie die Dauerbelastung durch den nahen Bahnverkehr und Touristen setzen der 157 Meter hohen Kathedrale seit Jahrzehnten zu. „Das wird von Jahr zu Jahr sichtbarer“, sagt Chris Wickenden, Leiter des Studiengangs 3D-Mind & Media an der Hochschule Fresenius. Seine Studenten vermessen das Kirchengebäude in Kooperation mit der Heriot-Watt University Edinburgh sowie unterstützt von der Stadt Köln und der Dombauhütte mit einem Laserscanner und einer Auflösung von 64 Millionen Pixeln punktgenau, um später ein 3D-Modell zu erzeugen.

Inspiriert wurde Wickenden durch CyArk. Die Organisation will eine öffentliche, digitale Bibliothek des Weltkulturerbes in 3D schaffen und 500 Bauwerke bis 2018 digitalisieren. Zu den bereits realisierten Vorhaben gehören die antike Stadt Babylon im Irak, der Londoner Tower, die Steinerne Brücke in Regensburg und die Römischen Bäder von Weißenburg. Im Oktober werde CyArk in Berlin neue Projekte vorstellen, sagt Sprecherin Elizabeth Lee. Bis dahin sollen 100 Stätten digital konserviert sein. Geschätzte Kosten für alle 500 Projekte: 20 Millionen US-Dollar.

Denkmalschützer: Kulturelles Erbe sichern

Für den Präsidenten des Internationalen Denkmalrats ICOMOS Deutschland, Jörg
Haspel, ist die Erfassung und Dokumentation des kulturellen Erbes „von höchster
Dringlichkeit“. In Syrien, wo der IS jüngst in Palmyra wütete, können derzeit keine
Gebäude und Stätten gescannt werden, wie die Leiterin der Außenstelle Damaskus des
Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), Karin Bartl, sagt. Vor dem Bürgerkrieg
wurden etwa in der Pilgerstadt Resafa erste Laserscannings durchgeführt.

Im Internet einsehbar sind die Daten des DAI zu antiken Stätten in Syrien nur teilweise,
damit bisher ungefährdete Stätten nicht in den Fokus von Raubgräbern geraten.
Digitale Bilder von Objekten des syrischen Kulturerbes tragen laut der Deutschen
UNESCO-Kommission derweil bereits dazu bei, geraubte Güter auf dem Schwarzmarkt
zu identifizieren. Über ähnliche präventive Maßnahmen werde derzeit auch mit
irakischen Partnern gesprochen, sagt Präsidentin Verena Metze-Mangold.

Einsatz in Games- und Eventbranche

Die Arbeitsergebnisse der Kölner Studenten werden der Dombauhütte für
Restaurierungen dienen. 3D-Vermessungen könnten Schäden oder Baufehler aufzeigen, die vorher unklar gewesen seien, sagt die Sprecherin der Deutschen Stiftung
Denkmalschutz, Ursula Schirmer. Sie plädiert jedoch dafür, Geld in den Erhalt des
Originals statt in virtuelle Rekonstruktionen zu stecken.

Wickenden rechnet mit einer künftigen Nutzung von digitalisierten Gebäuden und Stätten auch in der Games- und Eventbranche. Einen weiteren Einsatz kann er sich in der Medizin oder Pflege vorstellen: Ein Schwerkranker könnte sich so noch den Wunsch eines bestimmten Reiseerlebnisses erfüllen. „Es wird immer spannender, aber auch immer künstlicher. Es stellt sich die Frage: Will ich ein echtes oder ein virtuelles
Erlebnis?“

Infobox: Cyark und das Ziel der 500

Die Non-Profit-Organisation CyArk mit Sitz im kalifornischen Oakland wurde 2003 von dem Ingenieur Ben Kacyra gegründet. Kacyra entwickelte auch selbst einen tragbaren Laserscanner zur 3D-Vermessung.Regierungen, Organisationen und Bürger können CyArk Bauwerke oder andere Stätten zur Digitalisierung vorschlagen. Ein Rat begutachtet die Vorschläge mit Blick auf eine Aufnahme in das 500er-Projekt. Den Vorsitz des zwölfköpfigen Gremiums aus Archäologen, Historikern und Restaurierungsexperten hat Gustavo Araoz, Präsident des Internationalen Rates für Denkmalpflege ICOMOS. Die Webseite von CyArk bietet Zugang zu 3D-Modellen, 360-Grad-Panoramen und virtuellen Touren (Browser muss WebGL unterstützen).

Veröffentlicht auf heute.de am 3. August 2015.